Ruhr Nachrichten, 11.07.2008, Mantel

Revier erfindet gemeinsame Tradition

Diskussion über Metropole / Historikerpreis

Bochum. In zweifacher Hinsicht stellte das Haus der Geschichte des Ruhrgebiets in Bochum am Mittwoch einen wichtigen Ort für die kulturelle Entwicklung der Region dar. Zum einen wurde dort die Vergabe des dritten Bochumer Historikerpreises an Eric Hobsbawm (Foto) verkündet. Zum anderen diskutierte ein prominent besetzte Runde zum Thema „Das Ruhrgebiet: Europäisches Kulturgebiet?“

Dass der Bochumer Historikerpreis kein konventioneller Preis sei – dass er die Entscheidung für den britischen Geschichtswissenschaftler Hobsbawm für eine mutige halte, betonte Klaus Tenfelde, Direktor des im Haus der Geschichte ansässigen Instituts für soziale Bewegungen. Da der 91-jährige als unorthodoxer Marxist gilt, sei die Wahl „ein Signal dafür, dass wir vorurteilslos mit Geschichtswissenschaft umgehen.“ Zur Preisverleihung am 28. November will Eric Hobsbawm nach Bochum kommen.

Eine zentrale These des Geschichtsforschers ist die „Erfindung von Tradition“, die er in der Nationengeschichte des 20. Jahrhunderts ausmachte. „Auch hier sind wir im Blick auf das Kulturhauptstadtjahr dabei, die Tradition des Ruhrgebiets zu erfinden“, spannte Tenfelde einen Bogen zur Diskussion.

Dies zeigte , wie schwierig solch ein Traditionssetzung ist: Der Essener Kulturwissenschaftler Claus Leggewie schaute vor allem auf die Probleme des Ruhrgebiets, sich als Metropolregion darzustellen, die 2010 gewünscht wird: Es gebe zu viele regionale Profilierung, schlechte öffentliche Verkehrsstrukturen und politisch und kulturell eine zu geringe Außenwirkung.

Ruhr.2010-Geschäftsführer Oliver Scheytt hingegen wollte gar nicht mehr vom Ruhrgebiet, sondern nur noch der Metropole Ruhr sprechen. „Nach einer Umfrage identifizieren sich 17 Prozent der Bürger der Region mit ihrem Stadtteil, 39 Prozent mit der Stadt, aber immerhin 22 Prozent mit der Region.“

Es müsse darum gehen, gewachsene Originalität der Städte zum Metropol-Profil zusammenzufügen. Es geht also um die Erfindung gemeinsamer Tradition. Wie schwierig diese ist, kann man bei Eric Hobsbawm nachlesen. Max Florian Kühlem


zit. nach:RN v. 10.07.2008