Vorlesung: Die Konstruktion nationaler Identität in Deutschland vom 18. zum 21. Jahrhundert

Prof. Dr. Stefan Berger
10 - 12 Uhr, Dienstag

Ort NA 5/99
Beginn 16.04.2013

Was ist des Deutschen Vaterland? fragte Ernst Moritz Arndt zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Kontext der Freiheitskriege gegen napoleonische Fremdherrschaft und auch gegen deutsche Fürstenwillkür. Später wurden genau diese Freiheitskriege nicht mehr als Freiheitskriege, sondern als Befreiungskriege bezeichnet, in Reduzierung der Kriege gegen französische Besatzung. In dieser Funktion wurden die Befreiungskriege zu einem wichtigen nationalen Mythos in deutschen Landen. Dies kurze Beispiel mag andeuten, wie komplex die Konstruktion deutscher nationaler Identität zu Zeiten war. Vor 1871 gab es keinen deutschen Nationalstaat. Ob das deutsche Kaiserreich nach 1871 ein deutscher Nationalstaat war oder doch ein deutsches Imperium ist heute umstritten. Wichtige politische Zäsuren in der deutschen Geschichte, wie etwa 1806, 1815, 1848, 1871, 1914, 1918, 1933, 1945, 1968 und 1989 führten auch dazu, dass immer wieder andere Antworten gegeben wurden auf die Frage, was denn deutsch sei, wo Deutschland liege und wer alles Deutscher sein solle. Die Vorlesung nimmt einen langen Blick über die Jahrhundert auf solche Konstruktionen deutscher nationaler Identität und stellt die Pluralität solch immer umkämpfter Konstruktionen heraus. Versuche, Nation zu definieren, standen immer in komplexen Zusammenhängen zu anderen Identitätsdiskursen räumlicher und nicht-räumlicher Art ¿ Region, Europa, Reich, Ethnizität, Religion, Geschlecht und Klasse bezeichnen dabei die wirkmächtigsten Identitätsnarrative, die sich oftmals mit dem Narrativ der Nation verbanden. Nationale Meistererzählungen lassen sich bis ins Mittelalter zurückverfolgen, wobei diese mittelalterlichen Nationsdebatten einen grundlegend anderen Charakter trugen als die neuzeitlichen Debatten seit dem 18. Jahrhundert, weshalb sich die Vorlesung auch auf die Zeit seit circa 1750 bis zur Gegenwart konzentriert.

Einführende Lektüre:

  • Stefan Berger, Inventing the Nation: Germany, London: Bloomsbury, 2004.
  • Etienne François und Hagen Schulze (Hg.), Deutsche Erinnerungsorte, 3 Bde, München: C. H. Beck, 2001.
  • Dieter Langewiesche, Reich, Nation, Föderation. Deutschland und Europa, München: C. H. Beck, 2008.