Sites of Dissent. Space-making practices of Autonomous Social Movements in Europe as socio-political conflict: a comparative participatory action research

Alissa Starodub

Soziale Bewegungen artikulieren Dissens und drängen auf sozio-politische Transformation. Sie selbst, die Gesellschaft, welche sie hervorbringt, als auch Art und Inhalte ihrer Artikulation sind dabei im Wandel begriffen. In der deutschsprachigen Bewegungsforschung wird häufig der Begriff "Neue Soziale Bewegungen" verwendet, um diesen Wandel zu markieren. Im Bezug auf heutige soziale Bewegungen hat sich in der englischsprachigen Bewegungsforschung nach "New Social Movements" die Bezeichnung "Autonomous Social Movements" eingebürgert. "Autonomous" steht hierbei keineswegs synonym für die "Autonomen" in Deutschland, sondern bezieht sich auf soziale Bewegungen, die auf Autonomie durch die Gestaltung alternativer sozialer Strukturen Wert legen. Ihre Form der Selbstorganisation basiert dabei auf persönlicher Affinität anstatt auf formellen Strukturen und repräsentativer Politik, denn Autonome Soziale Bewegungen sind post-repräsentativ und ihre Entscheidungsfindungsprozesse verlaufen horizontal. Dadurch verfolgen sie taktisch eine Politik der direkten Aktion, welche zum Ziel hat das Ergebnis der Handlung in die Gegenwart zu projizieren. Bedingt durch diese Charakteristiken stehen Autonome Soziale Bewegungen in einem antagonistischen Verhältnis zur normativen Ordnung der Gesellschaft.
In meinem Promotionsprojekt suche ich durch umfassende vergleichende Analyse zu verstehen, wie europäische Autonome Soziale Bewegungen diesem Antagonismus räumlichen Ausdruck verleihen. Handlungen finden im und durch den Raum statt und reproduzieren ihn. Räume, welche Autonome Soziale Bewegungen durch die Artikulation ihres antagonistischen Verhältnisses zur gesellschaftlichen Struktur produzieren sind als Protestcamps, besetzte Häuser, innerstädtische Platzbesetzungen oder auch als Okkupation ganzer Landstriche (wie beispielsweise die Zone A Défendre in der Nähe von Nantes) erfahrbar. Dies sind Beispiele von Freiräumen für den Aufbau alternativer sozialer Strukturen durch direkte räumliche Aktion von Autonomen Sozialen Bewegungen. Mein methodologisches Design spaltet diese "Freiräume" entlang von drei Gegensatzachsen (urban/rural, permanent/temporär und räumlich konzentriert/großflächig) auf. So entstehen acht Aggregate von untereinander ähnlichen Fallstudien. Die autonomen und sozio-kulturellen Zentren Banc Expropriat in Barcelona, Haus Mainusch in Mainz und das Sumac Social Centre in Nottingham beispielsweise, fänden innerhalb des urban/permanent/räumlich konzentrierten Aggregates von Fallstudien zusammen. Diese Freiräume werden untereinander mit einem Most Similar System Design verglichen um nach Unterschiedlichkeiten zu suchen, während im Vergleich mit einem anderen Fallstudienaggregat einen Most Different System Design angewendet wird um Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten. Somit können sowohl die Ursachen für Unterschiede trotz augenscheinlicher Ähnlichkeiten entlang der Gegensatzachsen, als auch Gemeinsamkeiten trotz augenscheinlicher Unterschiede umfassend kontextualisiert werden. Dies ermöglicht eine konzeptionelle Offenheit und Flexibilität bei der vergleichenden Analyse der Freiräume zu wahren und ein größeres Set von Fallstudien erschöpfend zu bearbeiten.
Ich arbeite dabei mit einem Participatory Action Research Ansatz, der die traditionell hierarchisierte Beziehung zwischen Forschenden und ihren Unrsuchungsobjekten in Frage stellt und eine Teilhabe am Untersuchungsgegenstand einfordert indem es einem partizipativen und zyklischen Forschungsvorgehen folgt. Das Wissen, welches in diesem partizipativen Forschungsprozess gewonnen wird, kann keinem individualisierten, forschenden Subjekt zugeordnet werden, dass objektive Aussagen über die Realität machen kann. Vielmehr ist es ein Wissen, dass aus der alltäglichen Praxis innerhalb der untersuchten Freiräume kommt und als kollaborativer Prozess des Austausches über gemeinsame räumliche Artikulation des antagonistischen Verhältnisses Autonomer Sozialer Bewegungen zur gesellschaftlichen Ordnung verstanden werden soll.


Weitere Publikationen von Frau Starodub

  • 2012  “Take a Bike to Ecotopia (Take a Car to Hell)”, in: C. Carlsson, L. Elliott, A. Camarena (eds.) Shift Happens! Critical Mass at 20, San Francisco: Full Enjoyment Books.
  • 2015 “Post-representational epistemology in practice: processes of relational knowledge creation in autonomous social movements”, Interface: a journal for and about social movements Vol 7, 161-191.
    2016 mit Catarina Gomes de Matos
  • "Es liegt auf der Straße, es hängt in Bäumen und versteckt sich unter Pflastersteinen". Das Recht auf Stadt in Theorie und Praxis (the right to the city in theory and in practice”). Kritische Justiz (1), 18-30.
  • 2018 “Horizontal participatory action research: Refugee solidarity in the border zone”. Area. 2018;00:1–8.
  • 2018 “Riots and Militant Occupations: Smashing a System – Building a World” edited with Dr. Andrew Robinson, Rowman&Littlefield

Kapitel / Chapter:

  • “Introduction: Utopian Ruptures”, p. 1-10, with Andrew Robinson
  • “A Theory of Rupture: Riot and Participatory Research”, p.13-32
  • “Conclusion: Some Reflections on Contemporary Riots and Militant Occupations”, p.257-262, with Andrew Robinson
  • 2019 “Unterwegs Richtung horizontaler Forschung. Präfigurative Epistemologie und Positionierung der Forschenden”. Forschungsjournal Soziale Bewegungen. Analysen zu Demokratie und Zivilgesellschaft (1) Jg. 32, 78-82.

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