Ein Vergleich der Literatur der englischen und westdeutschen Arbeiterklasse zwischen 1949-1989

Steve Eszrenyi

In meiner Dissertation werde ich einen Vergleich zwischen der Literatur der englischen und westdeutschen Arbeiterklasse zwischen 1949 bis 1989 ziehen. Das Hauptforschungsinteresse ist dabei zweigeteilt. Erstens werden jegliche Verbindungen zwischen der Literatur der Arbeiterklassen in England und Deutschland zwischen 1945 und 1989 hergestellt. Zweitens beschäftigt sich die Arbeit mit der Beurteilung und Kalibrierung der verschiedenen Darstellungen des Lebens der Arbeiterklasse in den Themen Arbeit, Gemeinschaft, Identität und Geschlecht in den Werken von Barry Hines und Max von der Grün, indem Grundmuster, Parallelen und Unterschiede herausgearbeitet werden.
Meine Auseinandersetzung mit der englischen und westdeutschen Arbeiterliteratur ist in kulturell-materialistischen Zugängen zu Literatur situiert, was es mir ermöglicht, die Texte im Zusammenhang historischer, sozialer und kultureller Kontexte zu prüfen. Hierbei werde ich die Ideen von kulturellen Materialisten wie Raymond Williams verwenden. Kultureller Materialismus, so wie ich ihn sehe, erkennt mit seiner Entschlossenheit, etablierte Kategorien von Literatur herauszufordern, diverse Schreibbereitschaften an, um Themen und soziale und kulturelle Perspektiven zu erforschen, die traditionell nicht als angemessene Gegenstände von Literatur angesehen werden.
Ich schlage vor, meine Dissertation in sechs verschiedene aber zusammenhängende Sektionen zu unterteilen. Der erste Teil stellt die Einführung dar und wird eine Übersicht über die Arbeit liefern. Der zweite Teil wird einen Rahmen und einen Überblick über die größeren literarischen, politischen und kulturellen Ereignisse in England und Westdeutschland ergeben. Es ist unmöglich, die Entwicklungen im Bereich der Literatur von der politischen und kulturellen Natur zu trennen und ich werde Verbindungen zum größeren politischen und kulturellen Kontext in beiden Ländern ziehen, um einen komplexeres Literaturabbild in beiden Ländern zu ermöglichen. Dies lässt es für mich zu, einen Hintergrund zu erstellen, gegen den ich die Entwicklung und den Ort der Arbeiterliteratur besser lokalisieren kann. Der dritte Abschnitt wird kritische Perspektiven auf die Klasse darlegen und zu einem Versuch der Definition des Begriffs der Arbeiterklasse in England und Deutschland zwischen 1945 bis 1989 führen. Die Analyse der englischen und westdeutschen Arbeiterliteratur wird den vierten Teil darstellen. Diese Fallstudie folgt am Ende meiner Arbeit, da es mein Ziel ist, vom Generellen zum Spezifischen voranzuschreiten und mich in diesem Teil auf den Vergleich der folgenden Themen in den Romanen von Barry Hines und Max von der Grün zu konzentrieren: Gesellschaft und Identität; Arbeit; Geschlecht. In meinem sechsten Abschnitt werde ich dann die Ergebnisse meiner Dissertation in einer Zusammenfassung wiedergeben.
Ich habe mich dazu entschlossen, den Fokus auf die Romane von Barry Hines und Max von der Grün zu legen, da beide zu einem Zeitpunkt ihres Lebens Schriftsteller der Arbeiterklasse waren. Barry Hines wurde 1939 geboren und war der älteste von zwei Söhnen eines Bergarbeiters und einer Tochter eines Bergarbeiters. Nachdem er das Gymnasium mit vierzehn Jahren ohne Qualifikation verlassen hatte, fing er in einer Zeche an zu arbeiten. Von seiner Mutter gedrängt kehrte Hines zurück zur Schule, verließ diese dann mit der mittleren Reife und begann im National Coal Board eine Ausbildung als Zechengutachter im Rockingham Bergwerk in Rotherham. Hines verließ die Zeche, arbeitete als Lehrer in einer lokalen Schule und wurde dann ein professioneller Schriftsteller. Max von der Grün wurde 1926 geboren und starb 2005. Er war Sohn eines Schusters und startete sein Arbeitsleben als Auszubildender in den Rosenthal Fabriken in Selb und Marktredwitz. Während des Zweiten Weltkriegs war er ein amerikanischer Kriegsgefangener, kehrte 1948 nach Deutschland zurück und fand eine Anstellung in einer Zeche. Von 1963 an arbeitete er als Schriftsteller in Dortmund-Lanstrop.
Sowohl Barry Hines als auch Max von der Grün hatten Verbindungen zum Bergbau und beide Schriftsteller haben oder hatten, im Fall von Max von der Grün, ihre Wurzeln in der Arbeiterklasse und wuchsen in einer Arbeiterklassengemeinschaft auf – oder noch spezieller, einer Bergbaugemeinschaft. Die Texte beider Schriftsteller fokussieren Aspekte, Gegenstände und Themen von Arbeiterklassenerlebnissen, was es mir ermöglicht, eine Basis des Vergleichs zwischen englischer und westdeutscher Arbeiterliteratur anzustellen. Ich hoffe im Verlauf meiner Dissertation zu sehen, ob Romane, die sich mit Bergbaugemeinschaften auseinandersetzen, „anderen“ Arbeiterklassenromanen ähnelten oder sich von diesen unterschieden – jeweils in England und Westdeutschland.
Diese Arbeit wird auch Referenzen zu englischen Autoren wie Sid Chaplin, Len Doherty und David Storey ziehen. Auch diese Schriftsteller haben oder hatten eine starke Zugehörigkeit zur Arbeiterklasse und alle drei thematisieren in ihren Arbeiten den Bergbau. Allerdings wird es sich vorwiegend um die Romane von Barry Hines drehen, und im Besonderen um die Folgenden: „The Blinder“ (1966), „A Kestrel for a Knave“ (1968), „First Signs“ (1972), „The Price of Coal“ (1979), „Looks and Smiles“ (1981) und „Unfinished Business“ (1983).
Die Untersuchung der deutschen Autoren wird Schriftsteller wie Bruno Gluchowski und Walter Köpping beinhalten. Diese Schriftsteller haben wie Chaplin, Doherty und Storey in England eine Verbindung zu Bergbaugemeinschaften in Westdeutschland. Die Arbeit wird auch Werke der Gruppe 47, Gruppe 61 und dem Werkkreis Literatur der Arbeitswelt in Betracht ziehen. Der Hauptbezug für deutsche Schriftsteller der Arbeiterklasse wird Max von der Grün sein, wobei vor allem folgende Romane in der vergleichenden Arbeit untersucht werden: Männer in zweifacher Nacht (1962), Irrlicht und Feuer (1963), Zwei Briefe an Pospischiel (1968), Stellenweise Glatteis (1973), Flächenbrand (1979) und Die Lawine (1986).