Seminar im zweiten Studienjahr: Proletarische Frauenbewegung in Deutschland 1871-1933

Dr. Marcel Bois, Dr. Ralf Hoffrogge

Veranstaltungs-Nr. 270022
Ort GABF 04/514
Beginn 20.10.2016

Die in den 1880er Jahren entstandene proletarische Frauenbewegung war eng mit der Sozialdemokratie verbunden und stellte die Gesellschaft des Kaiserreichs vor eine doppelte Herausforderung: Sie hinterfragte nicht nur die ökonomischen Privilegien von Bürgertum und Adel, sondern forderte zudem eine Revolution der „privaten“ Geschlechterverhältnisse. Frauenwahlrecht,
gleicher Lohn im Arbeitsleben, eine Vergesellschaftung von Hausarbeit und Kindererziehung waren ihre radikalen Forderungen. Sie wurden in die Programme der Organisationen der Arbeiterbewegung aufgenommen, im Alltag stießen sie jedoch selbst bei den eigenen Genossen oft auf Unwilligkeit und Ablehnung. Auch der Staat sah die Umtriebe der Frauenbewegung nicht gerne: Bis 1908 war in Preußen die Mitgliedschaft von Frauen in politischen Vereinen polizeilich verboten, ebenso das Studium an Universitäten.

Mit der Weimarer Verfassung von 1919 fielen viele rechtliche Barrieren, das Frauenwahlrecht und "die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten" wurden gewährt. Doch andere Auseinandersetzungen gingen weiter: Nach wie vor stellte der §218 Abtreibungen unter Strafe, Frauen- und Männerlöhne lagen weit auseinander, die gesellschaftliche Gleichberechtigung war noch lange nicht durchgesetzt. Doch die proletarische Frauenbewegung war nun geschwächt durch die Spaltung in einen sozialdemokratischen und einen kommunistischen Flügel.

Das Seminar bietet einen Überblick über die proletarische Frauenbewegung in Kaiserreich und Weimarer Republik und verbindet dabei geschlechter-, alltags- und politikgeschichtliche Perspektiven.

Einführende Lektüre:

  • Sabine Richebächer: Uns fehlt nur eine Kleinigkeit – deutsche proletarische Frauenbewegung 1890 - 1914, Frankfurt a.M. 1982.
  • Karen Hagemann: Frauenalltag und Männerpolitik. Alltagsleben und gesellschaftliches Handeln von Arbeiterfrauen in der Weimarer Republik, Bonn 1990.
  • Klaus-Michael Mallmann: Die Partei kämpft wie ein Mann: Weibliches Defizit, familiärer Raum und männerbündische Gemeinschaft, in: ders. Kommunisten in der Weimarer Republik. Sozialgeschichte einer revolutionären Bewegung, Darmstadt 1996, S. 131 - 141.