Die Entwicklung des Deutschen Kolpingwerks nach 1945 im Spiegel der arbeitsweltbezogenen Verbandsarbeit. Ein Beitrag zur Geschichte der Sozialen Bewegungen und des Verbandskatholizismus

Das heute weltweit agierende Kolpingwerk ist eines der ältesten katholischen Sozialverbände. Es geht zurück auf Adolph Kolping, dem ehemaligen Schustergesellen und katholischen Priester. Lange vor Verkündung der ersten päpstlichen Sozialenzyklika gründete er – inspiriert durch den Elberfelder Jünglingsverein von Lehrer Johann Gregor Breuer – 1849 den ersten Gesellenverein in Köln. Durch Bildung, Geselligkeit und religiöse Erbauung sollte der sozialen Not der Gesellen entgegengetreten werden. Das Modell fand Anklang, und schon bald folgten weitere Vereine, die sich 1850 zum Rheinischen Gesellenbund und ein Jahr später zum Katholischen Gesellenverein zusammenschlossen. Meilenstein waren die Schaffung von Gesellenhäusern, die den wandernden Handwerkerburschen zugleich Vereins- und Heimstätte sein sollten. Die Vereinsidee breitete sich unter dem Dach des Verbandes umso schneller aus; heute zählt das Kolpingwerk weltweit 400.000, davon alleine in Deutschland rund 240.000 Mitglieder.

Stand Kolping einst für (Berufs-) Bildung mit einer mehr oder weniger klar definierten Zielgruppe, so ist heute die Mitgliederstruktur vollkommen heterogen. Und die Handlungsfelder beschränken sich schon lange nicht mehr ausschließlich auf das Handwerk, sondern sind weit gefasst. Vor dem Hintergrund dieser massiven Veränderungen einer ursprünglich milieubezogenen berufsständischen Organisation stellt sich die zentrale Frage nach der (unerforschten) Entwicklung des Kolpingwerkes nach dem Zweiten Weltkrieg. Forschungsziel ist es, diese Lücke zu schließen. Dabei steht Im Fokus der Studie die Frage nach dem "historischen Substanzerhalt", vom Umgang einer Organisation mit ihrem historischen Erbe unter den veränderten gesamtgesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Demzufolge wird der Entwicklungsverlauf auf der zentralen Ebene an der arbeitsweltbezogenen Verbandsarbeit in einem Längsschnitt gespiegelt; andere Agitationsfelder und -räume bleiben außen vor. Dabei werden Brüche und Kontinuitäten aufgespürt und die Positionierung des Verbandes in der Arbeitswelt ausgelotet. Gleichzeitig werden die Entstehung, Konsolidierung und die Transformationsprozesse einer christlich-sozialen Bewegung im Kontext der Bewegungsforschung, die dieses Bewegungssegment weitestgehend unberücksichtigt lässt, exemplarisch untersucht. Damit soll die Studie nicht nur eine weitere Objektergänzung in der Erforschung des Verbandskatholizismus nach 1945 darstellen, sondern auch einen Beitrag zur Geschichte der Sozialen Bewegungen liefern.

Marion Plötz