Die Geschichte der deutschen Elektrizitätswirtschaft in der Nachkriegszeit

Bei der wirtschaftshistorischen Betrachtung der deutschen Elektrizitätswirtschaft stößt man immer wieder auf Kontinuitäten, die sich über die großen politischen Zäsuren des 20. Jahrhunderts hinwegsetzen. Elemente wie spezifische Denkmuster oder Konzepte der Elektrizitätsversorgung, die handlungsleitend für die Akteure waren und die Strategie der Unternehmen bestimmten, hatten sich spätestens in den 1920er Jahren fest etabliert. Auch die verbundwirtschaftliche Organisation der Branche, der ordnungspolitische Rahmen und die gemischtwirtschaftliche Eigentumsstruktur bildeten sich schon in dieser Zeit heraus und sollten das Bild dieses Wirtschaftsbereiches auch in den nächsten Jahrzehnten prägen.

Dieser Sachverhalt trifft auch und vor allem auf das Energieversorgungsunternehmen RWE zu, das im Rahmen eines Dissertationsprojektes untersucht werden soll. Erkenntnisleitendes Untersuchungsziel der Arbeit ist, erklärende Gründe für die konstatierte Persistenz am Beispiel des RWE herauszuarbeiten und ihre Auswirkungen auf die Innovationsfähigkeit des Unternehmens in den Jahren nach 1945 zu untersuchen.

Es bieten sich mehrere Hypothesen an, die Erklärungspotential für die Persistenz in der Elektrizitätswirtschaft haben könnten. Die erste Hypothese ergibt sich aus technikhistorischen Untersuchungen, die auf die enge Wechselwirkung zwischen Technik und gesellschaftlichen Kontext aufmerksam machen. Technische Systeme bestehen nach dieser Lesart aus Techniken, Organisationen, Know-how und Interessen der involvierten Akteure, die auf ein Fortbestehen des Systems ausgerichtet sind. Diese Konstellation schränkt nicht nur die gesellschaftlichen Entscheidungsspielräume ein, sondern führt darüber hinaus zu einer Eigendynamik oder Pfadabhängigkeit, die das technische System ungeachtet seiner ökonomischen Effizienz fortbestehen lässt.

Die zweite Hypothese leitet sich aus der Neuen Institutionenökonomik ab, richtet den Untersuchungsfokus auf die Persistenz des institutionellen Rahmens der Elektrizitätswirtschaft, der als Anreizstruktur die Entscheidungen der Akteure und damit auch das Innovationsverhalten beeinflusst. Auch die Neue Institutionenökonomik lässt die Grundannahme zu, dass ineffiziente Institutionen fortbestehen und die Leistung einer Wirtschaft beeinträchtigen können. In diesem spezifischen Fall bilden sich Organisationen und Interessengruppen heraus, die von den aus volkswirtschaftlicher Perspektive ineffizienten Arrangements profitieren. Die institutionenökonomische Perspektive öffnet den Blick aber auch für effiziente institutionelle Arrangements. So gewendet könnte die institutionelle Persistenz in der Elektrizitätswirtschaft Ausdruck eines komparativen institutionellen Vorteils sein, der sich in der Geschichte einzelner Energieversorgungsunternehmen positiv auf das Innovationsverhalten auswirkte und zur Leistungssteigerung der Volkswirtschaft beitrug.

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John Wesley Löwen